Autorin: Simone Naujack

Veröffentlicht im Binger Wochenblatt im Mai 2013

Ein ganz gewöhnliches Wunder

Dieser Tage hält der Frühling im RuheForst Rheinhessen-Nahe Einzug. Fast über Nacht verwandelt sich der Wald, die Knospen brechen auf, die Buschwindröschen bedecken den Waldboden, das  Leben erwacht.   „Wie in jedem Jahr, doch immer aufs Neue faszinierend“ kommentiert  Förster Bernhard Naujack dieses ganz gewöhnliche Wunder.

Die Anemone kommt scheinbar aus dem Nichts Besonders die Buschwindröschen (Anemone nemorosa) bezaubert derzeit die Waldbesucher. Scheinbar aus dem nichts kommend, überziehen Sie den Boden mit einem zarten Teppich. Die Pflanze selbst ist nur ca. 10 cm hoch. Unterirdisch gibt es aber ein etwa 30 cm langes „Speicher- und Überdauerungsorgan“, das sogenannte Rhizom. Es handelt sich sozusagen, wenn auch nicht botanisch korrekt, um eine überdimensionale Blumenzwiebel. Nicht selten gehören über hundert Blütentriebe zu einer Pflanze. Der einzelne Blütentrieb trägt in der Regel nur eine einfache weiße Blüte. Spektakulär sind die Blütenteppiche aus tausenden von Pflänzchen, die den Waldboden überziehen und sich nur öffnen, wenn die Sonne scheint.

Um die Anemone rankt sich eine zauberhafte Legende: In jener Zeit da die Götter noch auf Erden lebten, verliebte sich der Gott des Westwindes Zephyros, in die kleine Nymphe Anemone. Die schöne, zarte Anemone herrschte über die Natur. Zyphros wollte seine Geliebte für sich ganz alleine haben und bat Hera, die Gattin von Zeus, um Hilfe. Zeus seinerseits konnte keiner weiblichen Schönheit widerstehen, deshalb verstand Hera den Wunsch des Zyphros. Sie verwandelte Anemone in eine kleine Waldpflanze, damit sie keinen mehr verführen konnte. Nun konnte Zyphros selbst seine Geliebte aber nicht mehr finden, er suchte und rief nach ihr, einen ganzen Winter lang. An einem schönen Frühlingstag dann, entdeckte er sie endlich. Er erkannte Ihre zarte Schönheit. Geht man heute an einem sonnigen Frühlingstag im Wald spazieren und sieht wie die Anemone sich im Wind bewegt, dann streichelt und küsst der Windgott seine Geliebte.

Hoffnung auf einen neuen Anfang und die Gewissheit, dass auch auf den längsten, traurigsten und dunkelsten Winter ein Frühling folgt, das sind die Botschaften, die die Natur und der Wald derzeit aussenden. Ohne ein zutun von Menschenhand und fast unbemerkt geschehen immerwieder ganz gewöhnlich Wunder.

Anemonen am RuheForst Foto S. Naujack