RuheForst Neuigkeiten
21. März 2024 – Dem Forst sei Dank
Autorin: Simone Naujack
Veröffentlicht im Heimatjahrbuch des Landkreises Mainz Bingen 2015, herausgegeben von der Vereinigung der Heimatfreunde am Mittelrhein
Diese Frage habe ich schon oft gehört! Schon als Kind waren Fledermäuse meine Lieblingstiere und seither begleitet mich diese Frage. Ich frage dann gerne zurück: „Wie kann man Fledermäuse nicht toll finden?“
Zu den Fledertieren (Chiroptera) gehören außer den Fledermäusen (Microchiroptera) auch die Flughunde (Megachiroptera). Fledermäuse gibt es schon seit 5o Millionen Jahren. Sie sind die einzigen Säugetiere und, neben den Vögeln, die einzigen Wirbeltiere, die aktiv fliegen können. Weltweit gibt es rund 900 Fledermausarten.
Fledermäuse fliegen mit Flughäuten, die zwischen Armen und Beinen und dem Körper aufgespannt sind. Je schmaler die Flügel, umso schneller die Fledermaus. Einige Arten erreichen bis zu 50 Stundenkilometer. Beim Fliegen wird mit den Flügeln eine Drehbewegung ausgeführt: Je kleiner das Tier, umso schneller der Flügelschlag.
Orientierung in finsterster Nacht gelingt den Fledermäusen durch Echopeilung: Sie stoßen Schallwellen, in von uns nicht hörbarer hoher Frequenz (Ultraschallbereich) aus. Für uns Menschen erscheint der Flug lautlos, in Wirklichkeit machen die kleinen Kerlchen einen Riesenlärm. Die Schallwellen werden von Hindernissen zurückgeworfen. Die Fledermaus berechnet über die Zeit vom Ausstoßen des Tons bis zum Wiederauftreffen auf ihre empfindlichen Ohren, die Entfernung zum Hindernis; Über die Zeitverzögerung vom linken zum rechten Ohr errechnet sie die Richtung. So sammelt sie Puzzleteilchen ihrer Umgebung, die sie zu einem Hörbild zusammensetzt. Fledermäuse haben einen hervorragenden Geruchs- und Geschmackssinn, doch ohne ihre Ohren wären sie hilflos.
Die Aufzucht der Jungtiere bleibt den Müttern überlassen. Ein Fledermausweibchen hat zwei Zitzen, in der Regel aber nur ein Junges. Geboren werden die Kleinen bei den meisten Arten nicht im Kopfstand, sondern in waagerechter Körperhaltung. Das Neugeborene verlässt die Geburtsöffnung und krallt sich an das Bauchfell der Mutter. Fledermäuse haben kein Nest. Die Neugeborenen sind nackt und blind, die Flügel der Mutter werden wie ein schützender Mantel um das Kleine gelegt. Wenn die kleinen später Fell haben, können sie selbständig an der Wohnhöhlendecke hängen, während die Mutter jagt. Dort stoßen sie sogenannte Verlassenheitsrufe aus, damit die Mutter ihr Flederkind auch unter tausenden wiederfindet. Nach kurzer Zeit werden die Kleinen flugfähig, ohne das Fliegen an sich lernen zu müssen. Die Orientierung im Dunkeln lernen sie, während die Mutter sie im Flug ins Schlepptau nimmt.
Eine Fledermaus kann theoretisch bis zu 20 Jahre alt werden, durchschnittlich werden frei lebende Fledermäuse aber maximal 5 Jahre alt. Dafür gibt es viele Gründe, einige davon greift das Waldalgesheimer Fledermausprojekt auf: Nahrungsmangel und Quartierverlust sind die wichtigsten Ursachen für den dramatischen Rückgang der Fledermauspopulationen in Deutschland. Fledermäuse haben kaum natürliche Feinde, leiden aber sehr unter intensiver Land- und Forstwirtschaft und der Vernichtung natürlicher Lebensräume. Unsere heimischen Arten ernähren sich fast ausschließlich von Insekten, diese sind oft mit Pflanzenschutzmitteln oder andere Chemikalien belastet. Diese Gifte sammeln sich im Fledermauskörper und schwächen die Tiere selbst oder, über die Muttermilch, den Nachwuchs. Sommerliche Tagesschlafplätze fehlen, weil es noch immer zu wenig abgestorbene Bäume und Höhlenbäume gibt. Es mangelt an ungestörten Jagdrevieren mit gesunder Insektenvielfalt.
Warum hängen Fledermäuse kopfüber an der Decke? Eine Höhle hat man in der Natur selten für sich alleine, eine Höhlendecke dagegen schon eher. Von dort oben hat man eine gute Übersicht und kann fliegend leicht fliehen. Die Fledermaus hängt ohne Kraftaufwand: In den Beinen der Fledermäuse gibt es eine spezielle Sehne, die von den Krallen bis zum Knie verläuft. Diese Sehne ist von einer Hülle mit winzigen Widerhaken umgeben. Wenn die Fledermaus Ihre Krallen beugt, rasten die Wiederhaken ein.
Sind Fledermäuse Mäuse? Fledermäuse sind keine fliegenden Mäuse! Ihre Körpergröße, Fellfarbe und die Form der Ohren sind zwar mausähnlich, aber sie sind näher mit uns Menschen verwandt, als mit Mäusen: Mäuse werden z.B. nur 1-2 Jahre alt und haben sehr viele Jungen. Fledermäuse hingegen verwenden, wie wir Menschen, viel Zeit und Energie zur Aufzucht ihrs Nachwuchses. Sie sind außerdem lernfähig und haben ein fantastisches Gedächtnis, was den Mäusen fehlt.
Beißen Fledermäuse? Es gibt tatsächlich auf dem amerikanischen Kontinent sogenannte Vampirfledermäuse: die einzigen Säugetiere, die sich ausschließlich vom Blut anderer Säugetiere oder Vögel ernähren. Sie haben eine Kopf-Rumpf-Länge von weniger als einem Zentimeter, bei einer Spannweite von bis zu 40 cm und saugen maximal 30 Milliliter Blut pro Biss. Die Gefahr dabei ist nicht der Biss selbst, sondern eine Infektion der Wunde.
Hätten Fledermäuse tatsächlich das Talent, gebissene Tiere zu ihresgleichen zu machen, wären sie sicherlich nicht vom Aussterben bedroht. Fledermäuse brauchen zum Leben nicht viel: hauptsächlich ihre Ruhe. Passenderweise wurde das erste Waldrefugium im Waldalgesheimer Wald unmittelbar am RuheForst ausgewiesen. In diesen, nach dem BAT Konzept von Landesforsten ausgewiesenen, schützenswerten Waldteilen entwickelt sich der Wald ungestört. Es entstehen ideale Jagdreviere für die Fledermäuse, Höhlen- und Altbäume bleiben erhalten. Eine Insektenbekämpfung mit Chemikalien gibt es im seit mehr als 15 Jahren FSC (C010647)-zertifizierten Waldalgesheimer Wald ohnehin nicht. Einen Zeichen hat die Gemeinde Waldalgesheim mit der aufwendigen Pflege ihres Wahrzeichens, der Kaltwassereiche, am Eingang des RuheForstes, gesetzt: Der rund 400-jährige Baum bleibt erhalten. Ein weiterer Schritt war die Pflege der 300-jährigen Fledermauseiche. Das Geld für diese Aktion stammt aus Spendengeldern für das Fledermausprojekt. Die alte Eiche steht an der östlichen Feld-Wald-Grenze des RuheForstes, außerhalb des Bestattungswaldes. Für Fledermäuse, ist die alte Eiche an diesem ruhigen Standort ideales Sommerquartier. Oft wurde von Angehörigen im RuheForst die Frage gestellt, ob eine Geldspende dem Wald zugute kommen könne. Mit dem Fledermausprojekt ist das jetzt unmittelbar möglich. Weitere und aktuelle Informationen findet man deshalb unter: www.ruheforst-rheinhessen-nahe.de.
Grzimek, Bernhard: Gzimeks Tierleben. Säugetiere 2 (Band 11), Deutscher Taschenbuchverlag München 1993
Richarz, Klaus: Natur rund ums Haus, KosmosVerlag,2002
Gerstmeier, Dr. Roland: Steinbachs großer Naturführer, Mosaik Verlag, 1991
http://www.wikipedia.de/Fledertiere,02.02.2014
http://www.wdr.de/tv/wissenmachtah/Fledermäuse,09.02.2014
http://www.nabu.de/Fledermäuse,10.10.2013
http://flaus-online.de,09.02.2014
http://www.fsc-deutschland.de/BAT,10.10.2013
http://www.wald-rlp.de/Lebensraum Wald,10.10.2013