Trost für die Seele – AZ Bingen am 21.01.2023

1. Februar 2023 – 

Ruheforst in Waldalgesheim besteht seit über zwölf Jahren / Deutschlandweite Nachfrage ungebrochen

Von Jochen Werner

Waldalgesheim. Im September 2010 wurde er aus der Taufe gehoben. Der Ruheforst in Waldalgesheim war zum Start der 43. seiner Art in Deutschland, der fünfte in Rheinland-Pfalz. Naturnahe und umweltfreundliche Bestattungen sollten hier möglich gemacht werden. Etwa 500 Bäume mit maximal zwölf Grabstätten drumherum wurden als „RuheBiotope“ gekennzeichnet. Ein Dutzend Jahre später ist das ursprünglich fünf Hektar große Areal deutlich gewachsen. Mittlerweile sind 17 Hektar Buchen- Eichenwald ausgewiesen und in Betrieb genommen. Das ursprünglich gedachte Gelände hat dabei zwei Erweiterungen erfahren. Die Nachfrage ist von Anfang an ungebrochen hoch.

Als er unter dem Namen „Ruheforst Rheinhessen-Nahe“ eröffnet wurde, stand bereits fest, dass die Feuerbestattung auf dem Vormarsch sein würde. „Vielen gefällt die Waldbestattung“, sagt Bernhard Naujack als verantwortlicher Revierförster und derjenige, der von Beginn an zusammen mit dem damaligen Ortsbürgermeister Dr. Gerhard Hanke das Projekt in der früheren Knappengemeinde umsetzte. Von Beginn an waren es rund 500 Begräbnisse jährlich, aktuell liegt die Zahl leicht darüber, ist aber laut Naujack „nicht drastisch gestiegen.“ Je nach Wünschen und Bedürfnissen finden die Beisetzungen in absoluter Privatsphäre, aber auch mit bis zu vielen Hundert Abschiednehmenden statt.

Im Wald die letzte Ruhe finden. Dieser Gedanke ist bei vielen unvermindert attraktiv. Das spezielle „Feeling“ zurück zu den Wurzeln des Seins, der Waldbezug, der unmittelbare Kontakt zur Natur, das Ambiente, die Vorstellung, Teil des Waldes und der Schöpfung zu werden. Dazu der Vorteil, dass nichts nach zwei bis drei Jahrzehnten abgeändert werden muss, der Rückbau anders als bei Friedhofsbestattungen entfällt. Hier bleibt alles so, wie es ist. Nur ein Ergänzungsthema, das als Argument dienen könne, aber nie wirklich nachgefragt werde, sei das der Grabpflege, so Naujack. Bestattungen im Wald sind nach wie vor attraktiv, unabhängig vom Alter der Nachfragenden. Die „Kunden“ kommen aus dem gesamten Bundesgebiet, ob aus Hamburg, Berlin oder München. Eines haben sie gemeinsam: den Bezug in die Region. Das Gebiet allerdings ist weit gefasst. Richtung Mainz und Rhein-Main-Gebiet reicht es. Das Gros der Bestatteten kommt aus der Gegend zwischen Ingelheim, Gau-Algesheim, Bad Kreuznach und dem Mittelrhein.

Vorbei die Zeiten, in denen sich Naujack zusammen mit Forstwirt Markus Brendel um das Unternehmen kümmern konnte, Ehefrau Simone Naujack die Arbeit im Büro übernahm. Aus deren Teilzeittätigkeit ist ein Fulltime-Job geworden, ein weiterer Forstwirt ist längst unabdinglich aktiv, dazu kommt eine weitere Bürohilfe auf Stundenbasis. Verkehrssicherung und Baumpflege mussten ausgelagert werden, werden aber nach wie vor beaufsichtigt.

Während der Corona-Pandemie verzichteten Naujack und sein Team auf Führungen für Interessierte, boten stattdessen Sterbefall- und Vorsorge-Termine an. Informationsbroschüren können zugeschickt werden, mit einer Navigations-App lässt sich dank QR-Codes auch ohne Begleitung im Ruheforst alles Notwendige finden und erfahren. „Allerdings siehst du dabei nicht, welche Plätze noch frei sind“, sagt Naujack. Auf der Homepage wird dagegen alles erklärt, auch die Preisfrage beantwortet. Das System ist von der Struktur her sehr leicht zu verstehen. Unterschieden wird nach dem Stammdurchmesser. Alles andere ist gleich. Eine schlichte Plakette am Baum zeigt, wer im jeweiligen Biotop bestattet ist. Grabschmuck gibt es nicht.

Für die Gemeinde ist der Ruheforst längst auch zum attraktiven Geschäft geworden. 1800 Biotope sind bislang angelegt, viele Tausend Bestattungen wurden durchgeführt. Mehrere Andachts- und Abschiedsplätze sind auf den 17 Hektar angelegt. Zum Andachtsplatz gehören eine Gruppe von Bänken, ein großes Kreuz, eine kleine Kanzel, alles aus Eichenholz gefertigt. Daneben dient ein großer Stein aus der Gemarkung als Altar. Als der Ort, an dem die Urne während der Trauerfeier vor der Beisetzung steht. Dass diese Urnen biologisch abbaubar sind, versteht sich von selbst.

Zwar mussten wegen der Unbilden der Witterung einige Buchen gekappt werden, aber das gehört dazu. Die Natur verändert das Ruhe-Biotop mit der Zeit. Absterbende Bäume bleiben Lebensraum für Tierarten, sorgen für eine Erhöhung der Artenvielfalt und eine natürliche Verjüngung des Waldes. Überhaupt: Der Wald übernimmt auch ein Stück weit die Funktion eines Seelentrösters in schweren Stunden.