Fingerhutblüte: Naturschauspiel am RuheForst

Heilsame Giftpflanze mit  Symbolkraft/Bestandteil von Zaubertränken und Kopfbedeckung für Elfen

Autorin: Simone Naujack

Veröffentlicht im Binger Wochenblatt am 2.07.2014

Dieser Tage blüht auf den sonnendurchfluteten Freiflächen unterhalb des RuheForstes der schöne aber giftige Fingerhut, auch Waldglöckchen genannt. Der rote Fingerhut (digitalis purpurea) verdankt seinen Namen der fingerhutförmigen Blütenform. Die kleinen Blütenhütchen tatsächlich auf die Finger zu stecken, ist allerdings nicht zu empfehlen, denn die Waldschönheit ist wie erwähnt giftig.  Der Fingerhut ist zweijährig: im ersten Jahr bildet sich „nur“ eine grüne Blattrosette, erst im zweiten Jahr gibt es die bis zu zwei Meter hohen, leuchtenden Blütenständen. Oft folgt auf ein Jahr mit wenigen Blüten im Folgejahr ein wahres Blütenmeer. So sind die Freiflächen unterhalb des RuheFortes in diesem Jahr eine wahre Augenweide. Bei diesem Anblick „geht einem tatsächlich das Herz auf“, hierzu später mehr. Interessant ist, dass die Blütenstände, wenn sie in voller Sonne stehen, immer nach Süden zeigen. Das Auftauchen und Verschwinden und die leuchtende Farbe brachten dem Fingerhut den Ruf eines Hexenkrautes ein: Er soll Bestandteil von Zaubertränken gewesen sein. In irischen Sagen dient er als Kopfbedeckung für Elfen und Feen, die sich durch aufsetzen der Blütenhütchen angeblich unsichtbar machen konnten. Die Zeichnungen in den Blüten sollen demzufolge die Fingerabdrücke der Feen sein. Und tatsächlich wurden am RuheForst bisher zwar zahlreiche Fingerhutblüten, aber noch keine Elfen oder Feen beobachtet! Blüten, Stängel und Wurzel des Fingerhutes enthalten, wie Maiglöckchen, Orleander und die Christrose, sogenannte Digitaloide. Diese Inhaltsstoffe senken die Herzfrequenz, was bei richtiger Dosierung zu einer Stärkung des Herzens, bei Überdosierung aber zum Tode führt. Bereits seit dem 18. Jahrhundert werden die Blüten deshalb, ganz ohne Zauberei,  als Herzheilpflanze angewendet.                                                                                                                                               Seine gefährliche Schönheit, seine Vergänglichkeit und die heilsame Wirkung haben dem Fingerhut eine gewisse Symbolkraft eingebracht, die durch den Standort in der Nähe des Bestattungswaldes noch unterstrichen wird:

Waldglöckchen

Wenn ich dich seh´, im lichten Wald, kann ich den Zauber spüren.
Bist du auch anmutig und schön, darf ich dich nicht berühren.
Nur anschauen, hinschauen und verstehen,
mit Augen und dem Herzen sehen.

Simone Naujack

Fingerhut 1